Chronologie

2004

Sieben der 16 Bundesländer erklären das Kopftuch zum religiösen Symbol und verbieten Lehrkräften das Kopftuchtragen an staatlichen Schulen während des Unterrichts.

Etwa 3,5 Millionen Muslime (ungefähr 4 Prozent der Bevölkerung) leben in Deutschland.

Zehn neue Länder (Tschechien, Polen, Ungarn, Estland, Lettland, Litauen, Malta, die Slowakei, Slowenien und Zypern) treten der EU bei.

Im Februar gewinnt Fatih Akın für seinen Film Gegen die Wand den Goldenen Bären auf der Berlinale.

Am 24. Mai erreichen CDU/CSU, SPD, FDP und die Grünen einen Kompromiss und verabschieden das Zuwanderungsgesetz.

Am 12. Oktober schiebt Deutschland Metin Kaplan, den sogenannten Kalifen von Köln, nach einem acht Jahre andauernden Gerichtsverfahren in die Türkei ab. Kaplan war der Anführer der verbotenen islamistischen Organisation „Kalifstaat“. Kaplan rief zur Ermordung seines Gegners Ibrahim Sofu auf, der 1997 erschossen wurde.

Ungefähr 150.000 Deutsche verlassen Deutschland, um ein neues Leben in anderen Ländern, nämlich den USA, Kanada, der Schweiz, Österreich und 200 weiteren Staaten, zu beginnen. Dies ist die höchste Anzahl von deutschen Auswanderern seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und bedeutet einen Anstieg um 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Am 21. November demonstrieren 20.000 Muslime in Köln gegen Gewalttaten und Terror im Namen des Islams. „Terror hat weder Religion noch Nationalität,“ erklärt Rıdvan Çakır, Vorsitzender der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DİTİB). Deutsche Politiker aller Parteien nehmen ebenfalls an der Demonstration teil. Claudia Roth, Vorsitzende der Grünen, betont: „Der Islam ist nicht bloß als Gastarbeiterreligion zu tolerieren, sondern als Bestandteil unserer eigenen Kultur anzuerkennen.“

2003

Im November führt der europäische Rat „Justiz und Inneres“ biometrische Visa und Aufenthaltsgenehmigungen ein. Das Visa-Informationssystem wird eingerichtet. Es soll nationale Gesetzgebungen in Bezug auf Visaverfahren gesamteuropäisch vereinheitlichen, als Maßnahme gegen illegale Einwanderung dienen und zur Sicherheit innerhalb der EU beitragen.

 2002

Am 1. Januar ersetzt der Euro die Deutsche Mark. In 12 der 25 EU-Ländern wird der Euro offizielle Währung.

In Potsdam wird das Rabbinerseminar Abraham-Geiger-Kolleg eröffnet. Mehrere deutsche Universitäten bieten den Studiengang Jüdische Studien an.

Am 18. Dezember erklärt das Bundesverfassungsgericht das neue Zuwanderungsgesetz aufgrund von Abstimmungsunregelmäßigkeiten für rechtswidrig.

2001

Im Mai legt die Süssmuth-Kommission dem Bundestag ihren Bericht zur Zuwanderung in Deutschland vor. Der Kommissionsbericht empfiehlt eine neue Gesetzgebung und spricht sich für eine intensivierte, gesteuerte Einwanderungspolitik aus. Die Empfehlungen schüren eine neue Debatte über Vor- und Nachteile von Zuwanderung, die bis zum Sommer 2004 andauert.

Im August legt Innenminister Otto Schily dem Bundeskabinett seinen Entwurf für ein umfassendes Zuwanderungsgesetz vor.

Am 11. September werden mittels gekaperter Passagierflugzeuge Anschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington verübt. Mohammed Atta, der die saudi-arabische und ägyptische Staatsbürgerschaft besitzt und im Juni 2000 in die USA gezogen ist, lenkt eines der Flugzeuge. Er lebte von 1993 bis 2000 in Hamburg, wo er an der Technischen Universität Hamburg-Harburg Stadtplanung studierte. Atta war der Anführer der Hamburger Terrorzelle, die maßgeblich an der Vorbereitung der Anschläge beteiligt war.

2000

Das neue Staatsangehörigkeitsgesetz tritt in Kraft. In Deutschland geborene Kinder, deren Eltern ausländischer Nationalität sind, besitzen automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren in der Bundesrepublik ansässig ist. Diese Kinder können ebenfalls die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern annehmen, müssen sich aber bis zu ihrem 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entschieden haben.

Die deutsche Regierung gründet die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, um die finanzielle Entschädigung für die Millionen von Zwangsarbeitern des Dritten Reiches abzuwickeln.

In Deutschland haben 7,3 Millionen Ausländer ihren Hauptwohnsitz. Die türkische Staatsbürgerschaft besitzen 2 Millionen von ihnen. Für 750.000 der in Deutschland lebenden Türken ist die Bundesrepublik auch ihr Geburtsland. Etwa ein Drittel der Ausländer stammt aus anderen europäischen Staaten.

Die erste PISA-Studie, die das Lese- und Mathematikverständnis der 15-jährigen in 32 OECD-Staaten misst und vergleicht, wird veröffentlicht. Der Studie zufolge schneiden deutsche Schüler nur im unteren Drittel ab. Besonders die Integration von Migranten ins Bildungssystem lässt im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu Wünschen übrig. Die Ergebnisse schockieren die Öffentlichkeit.

Im Februar verkündet Kanzler Schröder seine Green-Card-Initiative auf der CEBIT in Hannover. Die Green Card erlaubt das Anwerben von 20.000 ausländischen Computerspezialisten, die von der deutschen Wirtschaft dringend gebraucht werden. Etwa 17.000 Personen bewerben sich in den nächsten vier Jahren. Ihr Aufenthalt im Land ist allerdings auf fünf Jahre begrenzt.

Der Selbstmord der algerischen Asylbewerberin Naimah H., die für acht Monate in einer Zelle am Frankfurter Flughafen festgehalten wurde, heizt die Kritik von Seiten der Kirchen und Flüchtlingsorganisationen am Asylverfahren in Deutschland erneut an. Auch wenn die Bundesregierung keine Verantwortung für den Selbstmord übernimmt, werden sieben weitere Asylanten aus humanitären Gründen auf freien Fuß gesetzt.

Im Juli werden sechs jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion und vier Russlanddeutsche in Düsseldorf durch einen Sprengsatz zum Teil schwer verletzt.

Im August verurteilt ein Gericht drei jugendliche Neo-Nazis für den Mord an Alberto Adriano, Vater von drei Kindern. Adriano war in den 80er Jahren aus Mosambik nach Ostdeutschland gekommen.

Am 9. November demonstrieren 200.000 Deutsche in Berlin gegen den Anstieg von rechtsextremer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalt. Demonstranten tragen beispielsweise Transparente mit folgender Aufschrift: „Wir stehen für ein menschwürdiges und tolerantes Deutschland, das offen für die Welt ist!“

Am 10. November spricht sich der Bundestag für ein NPD-Verbot aus. Das Bundesverfassungsgericht lehnt das Gesuch aufgrund der Verstrickung der V-Leute des Verfassungsschutzes in die Führung der NPD ab.

Zum ersten Mal seit 1938 erlangen Schüler ihren Schulabschluss an einer jüdischen Schule in Berlin.